Tabakgedanken - Ich vermisse ihn ...
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- Veröffentlicht: Dienstag, 24. Dezember 2019 06:00
- Geschrieben von Gerd Kebschull
Kann man eigentlich einen Menschen vermissen, den man nie gekannt hat? Was wäre gewesen, wenn...? Eine vielleicht etwas ungewöhnliche Geschichte über eine Freundschaft, die nie stattgefunden hat.
Ein typischer Großvater mit Pfeife
Ja, früher war alles anders, besser. Damals war es nichts Besonderes, wenn man(n) Pfeife geraucht hat. So auch der Großvater meiner Frau, Opa Fritz. Wenn sie von ihm erzählt, kann ich mir gut vorstellen, wie er damals war. Die Enkel liebten ihn, obwohl er sie auch oft geneckt hat. Am Heiligen Abend ist er mit dem Ballonroller klingelnd durchs Wohnzimmer gefahren. Die Puppe hat dann auch schon mal Mama gerufen – und die Kinder saßen in der Küche und sind fast verrückt geworden vor Neugierde. Was das Christkind wohl bringen wird? Eine Puppe? Einen Ballonroller?
Eine Pfeife pro Monat musste sein
Die Großmutter meiner Frau hatte „die Hosen an“. Das war für Opa Fritz kein Problem. Er war zufrieden mit seinem Leben. Er hatte als Bergmann unter Tage gearbeitet – ein Knochen-Job. Aber jetzt war er auf Rente; hatte seine Familie, seinen Schützenverein und seine Pfeifen. Und von seiner Rente hat er sich jeden Monat eine Pfeife gekauft. Da gab es keine Diskussionen. Das musste sein. Ich vermute, dass er damals Stanwell Tabake und Mac Baren Mixture geraucht hat. Gerade den Mac Baren Mixturen hat meine Frau, als ich ihn das erste Mal geraucht habe, sofort mit Opa Fritz in Verbindung gebracht. “Genauso hat es im Wohnzimmer geduftet, wenn Opa genüsslich seine Pfeife geraucht hat”, meinte sie verträumt.
Leider habe ich Opa Fritz nie kennengelernt. Aber durch die Geschichten, die meine Frau ab und an erzählt - denn sie und Oma Klara waren eine verschworen Gemeinschaft - meine ich, Opa Fritz zu kennen. Oma Klara war für meine Frau der wichtigste Mensch in ihrem jungen Leben.
Wir müssen mal eine Pfeife zusammen rauchen
… denke ich oft. Ich stelle mir dann vor, dass wir zweimal im Monat nach Bochum fahren, um zusammen eine Pfeife zu rauchen. Vorher rufe ich an und frage, welchen Tabak ich mitbringen soll. „Ist egal, Hauptsache ihr kommt.“ Und dann bringe ich natürlich Twist, Plug und Flake-Tabak mit. Und Opa Fritz probiert vielleicht auch mal einen, aber meist hat er eine Ausrede. „Ist gut, Jung - aber heute muss ich den Mixturen mal rauchen“. Kein Problem, Hauptsache wir sitzen zusammen, rauchen und klönen. Dann erzählt Opa Fritz manchmal vom Pütt; so nannten die Bergleute ihre Zechen. Aber meistens will er wissen, was sich in Sachen Pfeifen und Tabak getan hat. Und viel zu schnell sind die drei Stunden rum und wir müssen wieder in Richtung Emsland. Aber klar ist, Mittwoch telefonieren wir wieder und rauchen eine Pfeife zusammen. Und in zwei Wochen sind wir wieder in Bochum.
Opa Fritz schaut von oben zu
… und raucht sicherlich eine Pfeife. Und vielleicht freut er sich, dass jemand an ihn denkt. Ich hoffe, dass er ebenfalls bedauert, mich nie kennengelernt zu haben. Irgendwie hofft man doch auch, dass irgendwann - vielleicht in 50 Jahren - sich jemand an einen erinnert und wenn es nur heißt: Ach ja, der verrückte Pfeifenraucher, der damals sogar eine Pfeifenraucher-Homepage im Internet gehabt hat.
Mein Schwager hat mal ein Lied geschrieben, auszugsweise: "Es ist schön, so zu träumen…"
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Fotos © Reaktionsbüro Kebschull